Sozialer Druck: Die Angst vor Ablehnung

Wie ich ohne Wissen mit einem Coca-Cola Shirt in eine linksradikale Bar gegangen bin

»Für wen hältst du dich?!«, bekomme ich von dem Mädchen gegenüber an den Kopf geschmissen. »Ähhhh, w-was?«, stottere ich total eingeschüchtert, mit meinem 16 Jahren zurück. »Soll ich dir jetzt auch noch erklären, was Sache ist oder was? Und sowas traut sich hier rein!« Ich verstehe überhaupt nicht, was ich falsch gemacht habe und könnte jeden Moment losheulen.

Den Tag zuvor laufe ich durch einen riesengroßen Secondhand Laden in Berlin-Mitte. Ich bin begeistert von den ganzen Fundstücken und entdecke ein graues, riesengroßes, oldschool Coca-Cola Shirt. Das nehme ich sofort mit! Und das kann ich morgen Abend dann auch direkt in die Bar anziehen.

Ein paar Tage nach dem Coca-Cola-Vorfall erklärt mir dann jemand, was ich angeblich falsch gemacht habe. Und ich fühle mich miserabel. Ich könnte in den Boden versinken. Ich hatte einfach keine Ahnung! Ich wollte doch einfach nur cool sein und irgendwie dazugehören … Und natürlich weiß es mittlerweile die ganze linke Szene. Und die linke Szene in Potsdam ist größer als ich dachte. Und es ist schon so verdammt schwer, bei den ganzen eingeschweißten Kindergarten-Freundschaften, Anschluss zu finden. Ich fühl mich mal wieder allein und missverstanden.

So in etwa sah meine erste Erfahrung mit der linksradikalen Szene aus. Ganz genau kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Wahrscheinlich hab ich es schon verdrängt … Zu dem Zeitpunkt war ich bereits das 8. Mal umgezogen und so unpolitisch wie eine Scheibe Toast. Ich hatte keine Ahnung von der Stadt, dem Umfeld, der neuen Schule und generell wie die Leute dort tickten. Nach jedem Schulwechsel war ich »die Neue«, die sich versuchte anzupassen. Und ich war so verdammt unsicher wie ein Hase, der bei jedem Schreck davon hoppelt. Mit jedem neuen Ort schwand meine Hoffnung auf Zugehörigkeit und Verbundenheit ein Stück mehr. Und meine inneren Zweifel von »hoffentlich mögen sie mich« und »vielleicht finde ich hier gute Freunde« wurden immer größer. Ich wusste lange nicht, wer ich war und wohin ich gehörte.


Eine eigene Meinung? Die hatte ich nicht!


Sehr lange versuchte ich verschiedenen Klasse oder auch anderen Gruppen zu gefallen. Eine eigene Meinung? Die hatte ich nicht! Zudem fiel es mir mit jeder negativen Erfahrung immer schwerer, mich selber so annehmen zu können wie ich bin und mein Selbstwertgefühl schrumpfte auf die Größe eines Sandkorns. Das Resultat: Jeden noch so unwichtigen Kommentar nahm ich persönlich und löste zu Hause einen Heulkrampf aus. Meine Angst vor Ablehnung wuchs dabei stetig. Und mit jeder weiteren Ablehnung anderer Menschen bestätigte sich mein innerer Verdacht nicht gut genug zu sein.

Von meinem heutigen Standpunkt kann ich Gott sei Dank sagen, dass sich das durch viel Reflektieren und der Arbeit mit dem inneren Kind, geändert hat. Es gibt immer noch Momente, da kommt das Einsamkeits-Gefühl von damals hoch, aber jetzt kann ich es einordnen und damit besser umgehen. Und das Beste an der ganzen Sache ist: Ich mag mich endlich so wie ich bin.

Hier findest du weitere Texte und Illustrationen zu meinen persönlichen Erfahrungen mit der Angst

Auf meinem Instagram Account @jacciullmann kannst du nicht nur meine Gedanken zum Thema mit mentaler Gesundheit, sondern auch meinen kreativen Illustrationsprozess verfolgen!

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Stress: Die Angst vor der Ruhe