Leistungsdruck: Die Angst zu versagen

Wie mich mein geringes Selbstwertgefühl zu einem Einser-Studium gepusht hat

Alle jubeln mir zu. Innerlich bin ich am Heulen. »Toll, meine Eltern sind schon wieder nicht da. So wie bei den anderen Dutzend Veranstaltungen auch. Vielleicht ja beim nächsten Mal …« versuche ich mir das drückende Gefühl gut zu reden, während ich mit meiner Semesterarbeit auf der Bühne stehe und das Preisgeld vor etwa 300 Menschen entgegennehmen darf.

Zwei Monate zuvor schreie ich mich selber in meinen Gedanken an »Ich bin dumm. Ich hätte das besser machen müssen. Nico weiß genau, was er machen muss und wie es geht. Nur ich nicht! Ich schaffe das nicht!! Ich bin einfach nicht gut genug!!!«. Ich sitze mit zitternden Beinen im Stuhlkreis eines Kooperationsprojektes meiner Uni. Meine Kommiliton*innen und Dozent loben Nico für seine Ausarbeitung. »Hoffentlich merkt mir keiner an, dass ich komplett überfordert bin. Aber immerhin kann ich gleich meine Recherche zum Thema Corporate Identity, die überarbeiteten Skizze meiner Bildidee und das angepasste Feedback des Dozenten zu meinem Logo zeigen. Ahhh, und ich hab ja auch noch ein Moodboard erstellt, damit ich mich besser erklären kann. Okay, diese Stunde bin ich erstmal gerettet«, versuche ich mich zu beruhigen.

Mein Studium war geprägt von Vergleichen und Leistungsdruck. Nicht weil meine Kommiliton*innen oder Dozent*innen mir das Gefühl gaben – nein im Gegenteil, die waren alle super – sondern viel mehr, weil ich selber und auch meine Eltern mir das Gefühl gaben. Emotional stand ich zwischen den beiden Aussagen »Wir unterstützen dich finanziell in deinem Studium: Also sie zu, dass du was draus machst!« und »Nein, wir haben leider keine Zeit dafür, uns deine Sachen anzuschauen …«

Wie zur Hölle sollte ich damit umgehen?! Auf der einen Seite, wollte ich meinen Eltern beweisen, dass ich es verdammt nochmal drauf habe. Aber auf der anderen Seite interessierten sie sich einen Scheiß dafür. Mein Selbstwertgefühl hing irgendwo dazwischen und sah jedes Mal genauso verdutzt und verzweifelt aus wie ich. Dies ging bis zu meiner Abschlussarbeit so, die ich »selbstverständlich« auch mit einer Eins abgeschlossen habe. Waren meine Eltern da? Haben sie nachgefragt? Nein.

Ich will hier nicht gegen meine Eltern hetzen, auf keinen Fall! Aber ich will auch nicht einfach auslassen, woher ein Teil meines geringen Selbstwertgefühls in dieser Zeit stammte. Natürlich gab und gibt es immer noch weitere Faktoren, die dazu beigetragen haben und noch immer dazu beitragen.


Gute Note & Feedback = gutes Selbstwert für einen kurzen Zeitraum

Schlechte Kritik & Desinteresse = miserable Versagensangst für einen längeren Zeitraum


Was meine ich aber eigentlich, wenn ich von Selbstwertgefühl reden? Selbstwertschätzung ist die Bewertung des Bildes von sich selbst und damit eine grundlegende Einstellung gegenüber der eigenen Person.
Meine eigene Selbstwertschätzung hing von der Beurteilung anderer ab und nicht von mir. Ich konnte meiner eigenen Einschätzung und Gefühl nicht vertrauen.


Man muss sich selbst überhaupt erstmal annehmen können, sich selber und der eigenen Einschätzung vertrauen und vor allem für sich selber sorgen.


Was ich sagen will ist: Mein geringes Selbstwertgefühl versuchte ich damit zu kompensieren, indem ich immer und überall die Beste sein musste. Ja, das hört sich echt hässlich an. Aber es war nun mal so. Damals versuchte ich mir mit den guten Noten Bestätigung zu holen. Ja, ich wollte damit prüfen, dass ich gut genug bin. Dass ich gesehen werde. Dass ich als Mensch etwas wert bin. Das hört sich ausformuliert übertrieben an, aber mein Gefühl war genau so. Und natürlich hat der Selbstwert nichts mit guten Noten zu tun. Ein gutes Selbstwertgefühl kommt von anderen grundlegenden Dingen, wie sich selbst überhaupt erstmal annehmen zu können, sich selber und der eigenen Einschätzung zu vertrauen und vor allem für sich selber zu sorgen. Aber auch Aspekte wie in einem schützenden Umfeld aufzuwachsen oder zu leben sind für die Entwicklung des eigenen Selbstwertes wichtig.

Das alles ist für mich immer noch ein Prozess des Lernens, aber immerhin kann ich mir auch jetzt selber zujubeln!

Hier findest du weitere Texte und Illustrationen zu meinen persönlichen Erfahrungen mit der Angst

Auf meinem Instagram Account @jacciullmann kannst du nicht nur meine Gedanken zum Thema mit mentaler Gesundheit, sondern auch meinen kreativen Illustrationsprozess verfolgen!

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